Heinrich Lüthi-Studer - seit 4 Jahren sind Sie selbstständig als Projektentwickler tätig - wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Tätigkeit?
Die Selbstständigkeit war für mich das Richtige, um in St.Gallen anzukommen, und jene Dinge zu verfolgen, die mir wichtig sind. Dazu gehört für mich auch die Auseinandersetzung mit globalen Gesellschaftsfragen und seit einem Jahr unsere kleine Tochter.
Wie kamen Sie auf den Namen ibee studer?
IB ist eine gängige Abkürzung für Ingenieurbüro. Hinzu kommt EE für erneuerbare Energien. Ich sehe mich jedoch nicht als rein technisch kalkulierender Ingenieur, sondern als Investor und Berater für erneuerbare Energien. Seit ich den Namen meiner Frau angenommen habe - Lüthi - ist das Studer nicht mehr selbsterklärend; bleibt aber ein Souvenir an meinen alten Familiennamen.
Wie und wo investieren sie?
Einerseits sehe ich es als Privileg aber auch als Verantwortung, mein Vermögen für eine gute Sache einzusetzen - aktuell faszinieren mich Solarkraft-Investitionen in Indien. Anderseits finde ich es auch wichtig, die durch Kapitaleinkommen geprägte Einkommensungleichheit zu hinterfragen. Neben geerbten Immobilien, die ich energetisch vorbildlich zu verwalten versuche, habe ich in diverse erneuerbare Energie-Anlagen investiert, die zusammen Strom für gut 40 Haushalte produzieren. Als sparsamer Mensch könnte ich gewissermassen vom Kapitalertrag leben - mein Ziel mit ibee studer ist nicht ein maximales Honorar, sondern in die richtige Richtung zu arbeiten.
Sie investieren nicht nur selbst - sie ermöglichen gewissermassen Investitionen in Solarstromanlagen. Was unterscheidet Sie von anderen Solarunternehmern?
Der Wettbewerb in der Solarbranche hat sich in den letzten Jahren intensiviert - neue Player suchen das Geschäft, während die Förderung knapper und die Wirtschaftlicheit komplexer zu kalkulieren wird. Als Projektentwickler muss ich etwas von PV-Produkten, Elektrotechnik und vom Dachdecker-Handwerk verstehen, aber vor allem auch die Marktentwicklung, Energiepolitik und organisatorische Abläufe. Was bekomme ich wie für den Solarstrom, wie hoch ist der Eigenverbrauch, wie kann ein Solardachcontracting überzeugen. Solarprofis sind oft durchaus mehr als Installateure, sie kennen sich in Planung aus und die Kunden erwarten oft eine Beratung bezüglich Wirtschaftlichkeit. Beim typischen Einfamilienhaus lohnt sich der Beizug eines unabhängigen Ingenieurs kaum; wenn es jedoch um eine gewerbliche PV-Investition über 100'000 CHF geht, kann ein unabhängiger Bauherrenberater sein Honorar über eine Ausschreibung und kompetente Vergabeverhandlungen gut wieder einspielen. Insbesondere für Solargenossenschaften, die kein eigenes Personal haben, muss jemand verantwortungsbewusst die Schnittstelle zwischen Geldgeber, Dacheigentümer und ausführenden Unternehmern koordinieren. Ich pflege verschiedenste Kontakte zu diversen Solarprofis und lerne stets hinzu. Es ist immer schwierig, nach einer Ausschreibung Absagen zu erteilen - doch letztlich wollen alle mit-anbieten - jemand muss neutral auswerten. Mit dem einzigen Ziel, wirtschaftlich tragbare erneuerbare Energie Projekte vorzulegen. Wenn es sich rechnet, mangelt es nicht an Investoren.
Wer sind Ihre Kunden?
Der Aufbau der Genossenschaft Solar St.Gallen war gewissermassen mein Einstieg in die Selbstständigkeit in St.Gallen, nachdem ich meine Erfahrung in analoger Arbeit als Projektleiter eines genossenschaftlichen Solardachcontractors aufgebaut habe. Hinzu kamen einzelne Kontakte zu Privaten, wie auch Pensionskassen: Institutionelle Immobilieninvestoren haben interessante Energieinvestitionsmöglichkeiten im eigenen Portfolio. 2014 konnte ich für das Hochbauamt St.Gallen die PV-Eignung aller kantonalen Bauten evaluieren - aus den Machbarkeitsstudien resultieren ab und zu Umsetzungsprojekte. Öffentliche Auftraggeber brauchen jemand unabhängiges für Vorstudien und Ausschreibungen - so war ich auch schon für einige Gemeinden tätig. Mit kostspieligen Studien kann man jedoch schnell die Wirtschaftlichkeit eines PV Projekts zu tode rechnen. Da mir die Umsetzung wichtig ist, will ich mein Honorar jeweils klar unter 10% der Investitionskosten halten und gehe eher pragmatisch vor - ich halte wenig von komplexen Ausschreibungen. Auch schon hat ein Solarinstallateur eine Ertragsanalyse angefragt, um eine Ausschreibung eines anderen Planers angehen zu können - so kompliziert sollte es nicht sein.
Wie sehen Sie die Zukunft der erneuerbaren Energien in der Schweiz?
Wir haben mit Solarstrom schon einiges erreicht in der Schweiz: Die Produktion hat sich in den letzten 8 Jahren ver-50-facht auf über 2% vom Strommix, während die Stromgestehungskosten von gut 40 Rp/kWh auf bald 10 Rp/kWh gesunken sind. Die Zukunft bleibt jedoch eine Herausforderung: Auch wenn die Energiestrategie 2050 kommt, wird es immer schwieriger, Investitionssicherheit für PV zu gewährleisten. Weil keine KEV mehr ausbezahlt wird, und jedes Elektrizitätswerk die Rückliefertarife jährlich neu definieren kann. Eigenverbrauch wird immer wichtiger - und neu auch für Mehrfamilienhäuser interessant. Bei den heute erzielbaren Gestehungskosten kann Solarstrom direkt vom Dach auch für Gewerbebetriebe günstiger sein als der Netzbezug. Solarstrom könnte unabhängig von der begrenzten Förderung zum Selbstläufer werden und 10-20% vom Strommix abdecken. Ergänzend zu den 60% Wasserkraft braucht es dann noch winterlastige 10% Wind und 10% Biomasse-Wärme-Kraftkoppelung. Für letzteres würde ich mich gerne vermehrt engagieren. Holzenergie- wie auch Wind-Projekte sind nicht so zügig dezentral realisierbar wie PV - sie sind jedoch eine wichtige saisonal ideale Ergänzung.
Was würden Sie gerne in den nächsten 4 Jahren angehen?
Eine saubere Energieversorgung für eine Wohnüberbauung oder ein Industrieareal mit Holzpellet-Blockheizkraftwerk ergänzt mit einer Solarstrom-Eigenverbrauch - das würde ich gerne aufgleisen. Anderseits habe ich als Dozent für Renewable Energy Marketing auch immer einen Blick auf die internationalen Märkte - wenn sich da eine spannende Investitionsmöglichkeit oder Beratungstätigkeit ergibt, würde ich nicht nein sagen. In der aktuellen Weltpolitik ist einiges besorgniserregend - das bestätigt gewissermassen meine Erwartung, dass das Business-as-Usual nicht ewig weiter gehen kann - wir engagieren uns nicht zum Spass für Alternativen. Vielleicht kann meine Vision von unternehmerischen Sozialstaaten bzw. genossenschaftlichen Währungsräumen etwas zum Abbau von Einkommensungleichheit beitragen. Die von erneuerbaren Energien getriebene Entwicklung in China und Indien stimmt mich zuversichtlich - es mag unbequem sein aber nichts falsches, wenn der Westen seine Dominanz einbüsst.